Die Riesen unter den Meerschweinchen
Während in Europa durch die Herauszüchtung der verschiedenen Lang- und Kurzhaarrassen die Meerschweinchen immer kleiner wurden, hat man in Südamerika (dem Ursprungsland aller Meerschweinchen) Wert auf Größe, Robustheit und Qualität als Fleischlieferant gelegt. So entstanden dort, parallel zu unseren europäischen Formen, zahlreiche Fleischgroßrassen, welche man dort wie hier unter der Bezeichnung „Cuy“ führt. Die Bezeichnung „Cuy“ kommt von den gleichklingenden Lauten die ein Cuy von sich gibt. In Deutschland wurde diese Bezeichnung übernommen.
„Cuy“ ist der Überbegriff für verschiedene Fleischrassen, die alle einen eigenen Namen haben, wie z.B. die „Cobayos“, welche zu den größten unter den Cuys zählen. Mit einer Länge von rund 50 cm und einem Gewicht von bis zu 4 kg ist dies unumstritten. Die Rassevielfalt unter den Cuy erklärt auch, warum es solch große Gewichtsunterschiede unter ihnen gibt. Die Frage stellt sich, warum die meisten Cuys helles Fell wie weiß, rot-weiß, oder creme-weiß haben? Das lässt sich erklären, da in Südamerika die Cuys wie erwähnt als Fleischlieferanten dienen, werden sie hier überwiegend in hellen Fellfarben gezüchtet, da eine dunkel pigmentierte Haut bei Tisch unästhetisch aussieht. Dunkle Tiere wie schwarz, gold- oder silberagouti hingegen werden für rituelle Zwecke gebraucht. Auch bei den Cuys gibt es verschiedene Fellstrukturen wie Glatthaar, Schopf, Rex und Rosetten, auch die ersten Anzeichen von Langhaartieren wurden entdeckt.
Aber Cuys haben noch mehr Besonderheiten, da wäre z.B. die sogenannte Polydaktylie (Vielzehigkeit), die kein Rassemerkmal ist (es handelt sich um einen Erbfehler) und der bei vielen Riesenmeerschweinchen mehr oder weniger vorhanden sein kann, die Lebensqualität der Tiere aber nicht einschränkt. Meist sind die überzähligen Zehen voll funktionsfähig.
Bereits als Baby unterscheiden sich die Cuys von europäischen Meerschweinchen durch ihren auffallend knochigen, groben Schädel und die mächtigen Füße. Oft haben sie auch einen verlängerten Schwanzknochen.
Im Alter von 4 Monaten bringen Cuys bereits mehr als 1kg auf die Waage, welches im Vergleich hierzu das Endgewicht eines normalen Meerschweinchens ausmacht. Ein ausgewachsenes Riesenmeerschweinchen bringt je nach Rasse 2,0-2,5 kg auf die Waage.
In Südamerika werden die Cuys nicht nur in und um die Hütten der Indios gehalten, sondern auch in riesigen Zuchtfarmen gezüchtet. Die Hallenkomplexe beherbergen oft viele tausend Tiere. Die Tiere leben in großen Gitterboxen (ca. 2m x 2m) oft auch auf Gitterböden, wobei diese aber mit ausreichend Maisblättern, Zuckerrohr oder Alfalphagras bedeckt sind, sodass sich keines der Tiere verletzt. In den Boxen stehen noch Gitterkörbe, die als Rückzugsmöglichkeit für die Jungtiere dienen.
Cuys sind wahnsinnig scheu und denen in Europa gezogenen Jungtieren, konnte diese Scheu nicht genommen werden. Zwar zeigen die Nachzuchten, dass sie dem Menschen mehr zugetan sind als ihre Eltern, dennoch sind sie deutlich ängstlicher als normale Hausmeerschweinchen. Wer ein Schmusetier will, sollte sich die Anschaffung eines Cuys gut überlegen. Keinesfalls sind diese Tiere, wegen ihre Wildheit und Schnelligkeit, für Kinder geeignet. Auch bei der Fütterung gelten andere Maßstäbe als bei unseren europäischen Meerschweinchen. So sind energiereiche Futtermischungen nur in Maßen zu verfüttern, da Cuys zur Fettleber und einem schwachem Herz- und Kreislaufsystem neigen.
In der Zucht unterscheiden sich Cuys von unseren Meerschweinchen sehr. Sollten unsere Hausmeerschweinchen frühestens mit sechs Monaten verpaart werden, so wäre dieser Zeitpunkt für ein Cuyweibchen bereits zu spät. In diesem Alter wiegt ein Cuy bereits ein Kilo und mehr, ist also auf dem besten Wege zu verfetten. Das Tier nimmt entweder nicht mehr auf oder eine Toxikosen ist vorprogrammiert. Das Weibchen wird in der Regel mit 3-4 Monaten zum Bock gesetzt.
Obwohl die Weibchen bei den Cuys meist kleiner sind als die Männchen, neigen sie dennoch dazu, besonders schnell Fett anzusetzen. Dies äußert sich in einer deutlichen Wammenbildung wie man sie aus der Kaninchenzucht kennt. Die Babys entwickeln sich völlig normal wenn sie in einer Woche ca. 100g an Gewicht zulegen!
Schwierig gestaltet sich oft die Vergesellschaftung mit normalen Meerschweinchen. Cuyweibchen können sehr zickig sein und beginnen, sobald sie ihre körperliche Überlegenheit erkennen, sich in der Rangordnung ganz nach oben zu beißen! Bei einem Cuypaar sollte man später kein zweites Weibchen mehr dazusetzen. Sollte ein Weibchen in einem bestehenden Trio Junge bekommen, solltte das tragende Tier aus der Box genommen werden, da das „nichttragende“ Weibchen nach der Geburt der Jungen möglicherweise ihren Frust an den Babies auslässt. Die männlichen Cuys sind sehr sensibel und sollten nicht von ihren Artgenossen getrennt werden, da sie ziemlich trauern würden. Cuy-Männchen stinken wirklich, wenn sie um ein Weibchen werben!
Zu Beginn der Haltung und Zucht von Cuys in Deutschland wurde davon ausgegangen, dass diese extrem großen Tiere auch viel Platz benötigen. Heute weiß man, dass ein zu großes Platzangebot die Tiere unnötig unter Stress setzt. Da Cuys selten richtig zahm werden, gibt es jedesmal, wenn Tiere aus ihren Boxen genommen werden, eine wilde Jagd. Die Folge sind Panikattacken, ein wieder extrem aufkommender Fluchtinstinkt.
Will man ein Tiere hochheben, fasst man sie nach Möglichkeit nicht von oben an. Auf diese Situation ergreifen alle Meerschweinchen (auch unsere normalen) die Flucht, da natürliche „Fressfeinde“ (Raubvögel) von oben angreifen. Man versucht das Tier von vorne hochzunehmen.
Wie schon erwähnt werden Cuys in ihrer Heimat zum Verzehr gezüchtet. Das legt die Vermutung nahe, dass diese Tiere nicht auf extreme körperliche Anstrengungen ausgerichtet sind, schließlich steht das Gewicht in keinem Verhältnis zum Körperbau. Die leider noch recht niedrige Lebenserwartung (in Deutschland werden Cuys kaum älter als zwei Jahre) lässt vermuten, dass Herz und Kreislauf dieser Tiere stark belastet werden.
Quelle: Elke Peyerl und Ines Just