Zunächst einmal vorab:
Die meisten Vergesellschaftungen scheitern nicht an der Unverträglichkeit der Tiere, sondern am Nervenkostüm des Halters 😉
Zum Warmwerden seht ihr eine friedliche Vergesellschaftung (alles normal, kein Grund zum Eingreifen):
Kurzanleitung zur Vergesellschaftung (nicht für reine Bockgruppen)
- Beruhigungsmittel bereit legen
- Käfig/Gehege leer räumen
- Heuberge und Frischfutter in die Mitte legen
- Neues Tier hinzusetzen
- Wilde Jagden, anklappern und anspringen sind in den nächsten 2-3 Stunden normal
- Nur beobachten, nicht eingreifen.
- Ggf. Beruhigungsmittel einnehmen, der Halter, nicht die Schweinchen ;-). Oder ins Kino oder essen gehen
- Nur wenn richtig Blut fließt, trennen (ein bisschen Blut macht auch nichts)
- Nochmal: Ruhig bleiben, nicht eingreifen!
Ganz einfach, nicht wahr? Klingt komisch, ist aber so.
Hintergrundinfos zum Rudelleben der Meerschweinchen
Meerschweinchen sind Rudeltiere, das heißt, dass sie in der Natur in Verbänden mit Gruppenbildungen (Rudel) leben. Selten kommen Tiere „von außen“ hinzu, sondern meist werden nur Jungtiere in den bestehenden Verband hinein geboren. Bis zur „Pubertät“, welche im Alter von etwa 4-8 Monaten beginnt, laufen sie ziemlich unbeachtet „nebenher“.
Jungtiere bis zu einem Alter von 3-4 Monaten lassen sich also völlig undramatisch und ohne Rangeleien mit Tieren jeden Alters und Geschlechts vergesellschaften.
Ein Meerschweinchenrudel besteht aus einem Leitbock und mehreren
Weibchen. Böcke erreichen etwa ab dem 6. Lebensmonat die körperliche
Reife, um im Rudel die Leitstellung übernehmen zu können. Das versuchen
sie dann auch, es kann zu bösen Kämpfen unter den Böcken kommen.
Gemischgeschlechtliche Gruppen auf kleinem Raum funktionieren i.d.R.
solange gut wie alle dort lebenden Böcke jünger als etwa 6 Monate sind.
(Es gibt Ausnahmen, aber selten. Frühkastraten sollen sich i.d.R.
weniger dominant verhalten und beim Heranwachsen weniger Motivation auf
die Leitrolle entwickeln. Mit ihnen ist die Chance eine
gemischgeschlechtliche Gruppe bilden zu können sehr hoch).
Auch Weibchen reagieren auf neue erwachsene Artgenossen mit
Rangstreitigkeiten und nehmen diese selten gelassen hin. Sie haben sich
in ihrem Rudel einen Platz erkämpft und den gilt es gegen neue
Artgenossen zu verteidigen. Den Weibchen geht es dabei aber nur im ihre
Stellung im Rudel, sie erheben nicht den Anspruch das Rudel zu leiten
und gemäß der Böcke „es kann nur Einen geben“ bis aufs Blut zu kämpfen.
Auch diese Rangeleien gehen mit Geklapper, Gejage, Gezwicke und
gelegentlichen Fellbüschelbeuten einher. Ein neues Tier stellt die
gesamte bisherige Struktur des Rudels in Frage, so dass nach und nach
fast alle weiblichen Tiere in diese Rangeleien verwickelt werden.
Hierbei können vor allem bisher rangniedrige Tiere ihre Chance wittern
eine bessere Stellung zu erlangen und besonders aggressiv vorgehen.
Beim Hinzukommen eines neuen Weibchens zerfällt die gesamte bisherige
Struktur des Rudels und die Tiere müssen sich völlig neu in der
Rangordnung orientieren. Ein dominanter Bock greift bei Rangeleien mitunter
„schlichtend“ ein, indem er zwischen zwei Kontrahenten geht, seine
Vormachtstellung demonstriert und damit für Ruhe sorgt. Es gibt aber
auch Böcke die bei solchen Rangeleien das Weite suchen …
Reine Bockgruppen
gehören nicht zur „natürlichen“ Form des Zusammenlebens. Da es jedoch ebenso viele Böcke wie Mädels gibt und in gemischten Gruppen fast immer nur ein Bock laufen kann, bleiben Böcke „übrig“. Reine Bockgruppen sind die einzige Alternative zur Einzelhaltung. Da Vergesellschaftungen in Bockgruppen besondere Erfahrung und Fingerspitzengefühl erfordern, empfehlen wir Kontakt mit erfahrenen Bockgruppenhaltern aufzunehmen oder sich auf für Bockgruppen spezialisierten Seiten zu informieren.
Warum soll man Käfig/Gehege leer räumen?
Sämtliches Inventar sollte entfernt werden, weil es Ausweich- und Fluchtmanöver behindert. Häuser, Kuschelsäcke etc. können zur Falle werden, weil ein Tier in die Enge gedrängt wird und dem stärkeren Tier nicht mehr ausweichen kann.
Viel Platz sollte vorhanden sein, damit die Tiere bei Fluchten nicht gleich ins nächste Schwein rennen.
Heuberge bilden natürlichen Sichtschutz ohne starre Begrenzung durch die man im Notfall auch mal mitten durch stieben kann. Außerdem sind sie lecker und fressen ist manchmal wichtiger als soziale Stellung
Wie verhalten sich Meerschweinchen bei einer Vergesellschaftung?
Ein gut sozialisiertes Tier wird beim Hinzusetzen in die Gruppe allen anderen Tieren aus dem Weg gehen. Es wird vorsichtig die neue Umgebung erkunden, bemüht sein kein anderes Schweinchen zu berühren, ausweichen und sich nicht frontal zu anderen Schweinchen stellen.
Wenn das neue Tier in „Hoppla-hier-komm-ich-Manier“ gleich das gesamte Terrain durchschreitet, sich vor anderen Tieren aufbaut, den Kopf hebt und damit deren Ausweichen einfordert, ist mit stärkeren Problemen zu rechnen. Ein solches Tier hat nicht gelernt, dass es erstmal „kleine Brötchen backen“ sollte, wenn es in ein neues Rudel kommt. Spätestens jetzt sollte der sensible Halter die Beruhigungstropfen einnehmen
Anklappern, jagen und sich anspringen sind völlig normal. Auch die ein oder andere kleine Schramme ist noch kein Grund zum Trennen. Erst wenn ein Tier über viele Stunden ohne Unterbrechung gejagt und massiv gebissen wird, ist es kritisch. Häufig beginnen die Rangeleien erst etwa 30-60 Minuten nach Hinzusetzen des neuen Tieres. Sie können dann für 1-2 Stunden recht massiv sein, dann sind die ersten Dinge geklärt und eine „K.O.-Phase“ tritt ein.
Während einer Vergesellschaftung sollte man keine Trennungen vornehmen. Eine Trennung beendet zwar den aktuellen Konflikt, aber sie löst ihn nicht. Beim nächsten Zusammentreffen beginnt er wieder von vorn. Dann vielleicht sogar noch heftiger, denn ungelöste schwelende Konflikte führen nicht nur beim Menschen zu steigender Aggressivität. Der Halter kann nur die Rahmenbedingungen optimal gestalten, die Bildung der neuen sozialen Struktur können die Tiere nur allein regeln.
Nach den ersten Stunden kann es weiterhin zu der ein oder anderen Rangelei kommen, die aber i.d.R. weniger heftig als in die der ersten Phase sind. Bis zu 14 Tagen kann es immer wieder mal zu lautstarken „Diskussionen“ kommen, meist hat sich danach die Gruppe gefunden. Wenn es nach etwa drei Tagen noch immer zu heftigen Jagden und andauernden Streitereien kommt, und die Gruppe vorher gut funktioniert hat, muss man in Betracht ziehen, dass das neue Tier ein Problem mit seinen sozialen Fähigkeiten haben könnte. Ein schlecht sozialisiertes Schweinchen muss vielleicht erstmals im Leben damit zurecht kommen massiv zurecht gewiesen zu werden. Möglicherweise gerät es über diese neue Erfahrung in Panik und Angst, fängt an alle angestammten Schweinchen zu jagen und sozusagen „um sich zu prügeln“. Tiere die in Einzelhaltung groß wurden oder bisher immer die Chefrolle inne hatten, haben nie gelernt sich unterzuordnen. Dies erst im erwachsenen Alter lernen zu müssen kann ein stressiger und schmerzhafter Prozess sein. Dann hilft nur fachkundiger Rat von erfahrenen Meerschweinchenhaltern.
Zum Schluss noch ein paar Worte zu einigen gängigen Tipps
Es nutzt nichts die Tiere mit Parfüm, Einstreu oder Piesel einzureiben. Solche Maßnahmen führen zur Verwirrung, weil die Tiere sich am Geruch erkennen. Früher oder später kommt der Eigengeruch des neuen Tieres durch und dann merkt selbst das dusseligste Schweinchen, dass dieser Kumpan „neu“ ist. Die Rangeleien beginnen also nur später, verhindern lassen sie sich dadurch nicht.
Auch eine komplette Reinigung und Desinfizierung des Geheges nutzt nichts. Hausmeerschweinchen sind im Gegensatz zu ihren Vorfahren nicht mehr revierbildend. Die Rangeleien dienen nicht der Revierverteidigung, sondern der sozialen Rudelbildung die in frischer Einstreu gleichermaßen geregelt werden muss.
Weiterführende Links (zur Ablenkung):
http://www.cinestar.de
http://www.burgerking.de
oder so….